1. Quartal 2021

Aktien in Champagnerlaune – Anleihen tragen Trauer

Die Kapitalmärkte boten im ersten Quartal ein sehr ambivalentes Bild. Während die Aktienmärkte von einem Jahreshoch zum Nächsten sprangen, mussten Anleihen ein deutliches Performanceminus verkraften. Getragen von einem abrupten Zinsanstieg in den USA, der sich auch auf die europäischen Anleihemärkte übertrug, fielen die Anleihekurse zwischenzeitlich deutlich. Um dies für Sie als Anleger anschaulich zu machen: in einem ausgewogenen Depot mit einer 50%gen Anleihequote betrug der Performancebeitrag der Anleihen im Durchschnitt zwischen -1,2% und -0,6%. Wurden darüber hinaus auf der Aktienseite zwischenzeitlich Gewinne realisiert und Liquidität aufgebaut, so schlug sich auch dies negativ in der Performance nieder. Es war also nur für den Anleger tatsächlich ein champagnergetränkter Börsencocktail, der mit vollem Risiko und ungeteiltem Optimismus hinsichtlich Weltwirtschaft und Konjunkturerholung unterwegs war.

Und ein weiterer Aspekt ist entscheidend: auch wenn der DAX pünktlich zum Quartalsende ein neues Jahreshoch markierte, so war es nicht die gesamte Marktbreite, die diese Entwicklung widerspiegelt. Absolute Gewinner waren Banken und Automobilaktien, also zwei Branchen, die bis vor vier Monaten noch als die Schmuddelkinder der Kapitalmärkte galten und denen kaum einer – zumindest in punkto deutsche Banken – auch zukünftig eine besondere Wettbewerbsfähigkeit zutraut.

Damit wurden die Gewinner des vergangenen Börsenjahres – die Technologietitel – in ihrer Rolle abgelöst. Der wegweisende amerikanische Technologiesektor Nasdaq schloss das erste Quartal mit mageren 1,58% ab, der DAX dagegen mit stolzen 9,40%. Selbst der breit gefasste amerikanische Leitindex S&P500 lag mit 5,77% per 31.3. deutlich hinter dem deutschen Leitindex.
Diese Entwicklung inmitten der schwersten globalen Rezession seit der Finanzkrise hat selbst die überwiegende Zahl der Berufsoptimisten überrollt. Die positiven Prognosen der meisten Bankanalysten wurden schon in den ersten Wochen des Jahres übertroffen und so liest man nun von immer neuen noch optimistischeren Marktprognosen.

Was sind nun die Gründe für diese Aktienhausse – insbesondere bei der Old Economy?

Befeuert von einem bis dato einmaligen Konjunkturpaket in Höhe von 1,9 Billionen US-Dollar und der Aussicht auf ein zusätzliches Investitionsprogramm von weiteren 2,2 Billionen Dollar sind die US-amerikanischen Aktienmärkte in sehr guter Stimmung.

Und an der Börse wird bekanntlich die Zukunft gehandelt. Da tritt die oft eher bescheidene Gegenwart in den Hintergrund. Und in der näheren Zukunft wird die derzeit noch alles beherrschende Pandemie hoffentlich überwunden sein. In den USA wird derzeit geimpft, was das Zeug hält und die wirtschaftlichen Aktivitäten kehren mit Macht zurück. Die konsumorientierte US-Volkswirtschaft verfügt über eine immense Kaufkraft durch eine aktuell hohe Sparquote der Verbraucher und die Hilfen der Konjunkturpakete. Das „Helikoptergeld“, über das bisher nur in der monetären Theorie diskutiert wurde, ist längst Realität geworden.

In Anbetracht dieser Entwicklung verwundert es nicht, dass die Sorge vor deutlich höheren Inflationsraten zunimmt und sich die Kapitalmarktzinsen deutlich von ihren Tiefständen entfernt haben. So haben sich die Renditen für 10-jährige US-Staatsanleihen im Quartal auf aktuell 1,72% mehr als verdoppelt und Rentenanlegern - wie oben geschildert - herbe Verluste beschert. Die amerikanische Notenbank FED ist bereit, temporär höhere Inflationsraten zu tolerieren und wird alles tun, um den beginnenden Aufschwung mit ihrer Nullzinspolitik zu unterstützen.

Schon für die kommenden Quartale ist daher in den USA mit Wachstumsraten zu rechnen, die wir bisher eher von China, denn von westlichen Industriestaaten kennen. Die höheren Kursbewertungen, insbesondere der konjunktursensibleren Aktien, scheinen also durch die Erwartungen an die Zukunft gerechtfertigt zu sein.

Während die USA unter ihrem neuen Präsidenten Biden konjunkturell und beim Impfen kräftig Gas geben, verharrt Kontinentaleuropa im Dauer-Lock-Down. Je länger dieser anhält, umso weiter entfernt sich die EU von einem echten Aufschwungsszenario für das Jahr 2021. Wachstumserwartungen müssen bereits jetzt nach unten angepasst werden und der Euro verliert in drei Monaten gegenüber dem US-Dollar knapp 4 % an Wert.

Doch aufgeschoben heißt nicht zwangsläufig auch aufgehoben. Schon jetzt erfreut sich unsere Industrie an der wachsenden Nachfrage aus den USA und Asien. Und auch in Europa gibt es zahlreiche konjunkturelle Stützungsmaßnahmen. Europa wird wahrscheinlich ein 750 Mrd. EUR schweres Konjunkturprogramm dotieren können, welches vor allem den schwer von der Corona-Pandemie gebeutelten Staaten Südeuropas zu Hilfe kommt.

Nicht zuletzt wird auch in Europa, wenn auch deutlich langsamer als in den USA oder in England, geimpft. Selbst bei uns in Deutschland, das derzeit unter einer funktionsuntüchtigen Bürokratie leidet, die über der Vielzahl der Einzelfallregelungen das eigentliche Ziel aus dem Blick verloren hat, keimt Hoffnung auf Besserung. Es gibt also mehr als nur das Licht am Ende des Tunnels und die Aktienmärkte scheinen die strahlende Zukunft bereits in vielen Segmenten einzupreisen.

Anziehendes globales Wirtschaftswachstum, eine pandemiebedingt aufgestaute Nachfrage in Verbindung mit in Friedenszeiten noch nie dagewesenen schuldenfinanzierten Konjunktur-programmen sowie steigenden Rohstoffpreisen – ein (fast) perfekter Cocktail für ein deutliches Anziehen der Inflation?

Die Diskussion darüber hat längst begonnen. Doch all diejenigen, die in den letzten Jahren immer mal wieder vor Inflation gewarnt hatten, wurden bisher eines Besseren belehrt. Die Notenbanker der westlichen Welt mussten deflatorische Tendenzen mit ihrer Null- und Minuszinspolitik adressieren und wären über ein wenig mehr an Inflation sicher sehr glücklich. Wir gehen von zukünftig höheren Inflationsraten aus, glauben aber, dass sich die Zentralbanken noch sehr viel Zeit lassen, um auf höhere Raten der Geldentwertung zu reagieren. Anhebungen der Leitzinsen sind daher in nächster Zeit - trotz höhere Inflation - unseres Erachtens nicht zu erwarten. Damit sollten auch den steigenden Renditen für längerfristige Anleihen Grenzen gesetzt sein. Auch der Goldpreis, der eigentlich von steigenden Inflationsängsten profitieren sollte, neigt derzeit eher zur Schwäche und verlor im 1. Quartal in Euro gut 5 % an Wert.

Das monetäre Umfeld für Aktien bleibt also günstig und auch die konjunkturellen Ampeln für den Markt bleiben derzeit auf „Grün“. In der relativen Betrachtung sollte – wie schon im 1. Quartal – der Nachzügler Europa tendenziell ein größeres Potential gegenüber den amerikanischen und asiatischen Märkten haben.

Doch vergessen wir nicht, dass die Börsen schon ziemlich viel dieser besseren Zukunft eingepreist haben. Da wird die Luft naturgemäß dünner und temporäre Rückschläge immer wahrscheinlicher. Risiken gibt es sicherlich: Neben den verbleibenden Unsicherheiten rund um die Corona-Pandemie wird die Finanzierung der enormen Defizite immer mehr in den Vordergrund rücken. So plant die US-Regierung zur Finanzierung der Infrastrukturpakete umfangreiche Steuererhöhungen für Unternehmen. Nicht unterschätzen sollten Investoren auch die Auswirkungen des zunehmend aggressiven Gebarens Chinas. Die aktuellen Probleme vieler westlicher Konzerne wie Adidas und H&M auf dem chinesischen Markt zeigen auf, das die chinesische Staatsführung zunehmend gewillt ist, ihren Machtanspruch nachhaltig durchzusetzen.

Doch auch wenn es zu temporären Rücksetzern kommen wird, so sollten wir uns daran erinnern, das Krisen oft auch Anstoß für positive Veränderungen sind: Wenn der Fraktionsvorsitzende der seit 16 Jahren maßgeblich regierenden Partei in Deutschland eine „Revolution“ des Staatswesens und der Bürokratie fordert, scheint zumindest in Teilen der Politik angekommen zu sein, dass ein Land auch an seiner Bürokratisierung ersticken kann.

Wenn diese Erkenntnis in Zukunft in politisches Handeln umgesetzt wird – so hatte Corona doch zumindest eine positive Wirkung. Und die langfristige Perspektive für Wirtschaft, Unternehmen und Börse wäre eine deutlich Bessere!
Somit schauen wir auch schon in den Herbst und zur nächsten, wegweisenden Bundestagswahl. Politik und Börse ist seit einigen Jahren nicht mehr zu trennen, und so blicken wir gebannt nach Berlin, die Wahlprogramme der Parteien und mögliche Kanzlerkandidaten. Das aus unserer Sicht einzig Positive ist derzeit, dass wir mal wieder eine Parteienlandschaft vorfinden, die sich in ihren Programminhalten deutlich unterscheidet. Hoffen wir also, dass die Wahlprogramme auch genau gelesen werden und sich die Kernaussagen, die diese enthalten, dem Wähler erschließen und an mancher Stelle die Augen öffnen.

Düsseldorf, im April 2021

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