3. Quartal 2023

Saisonaler Rücksetzer an den Märkten – oder dauert die Krise länger?

Der Sommer war schon oft eine herausfordernde Jahreszeit für Investoren. Insbesondere der Monat September hat unter Anlegern einen schlechten Ruf. Diesem wurden die Märkte im 3. Quartal 2023 erneut gerecht: Die Verluste an den Börsen beliefen sich auf knapp - 3 % an der US-Technologiebörse (NASDAQ 100) bis zu knapp -5 % an den europäischen Börsen.

In der Bewertung des laufenden Gesamtjahres können Aktienanleger allerdings immer noch eine positive Bilanz ziehen, da die Märkte insbesondere im Januar einen fulminanten Kursanstieg verbuchen konnten. So verzeichnet der deutsche Aktienindex DAX trotz der Verluste im letzten Quartal im laufenden Jahr eine Wertentwicklung von +10,5%. Noch etwas besser ist die Bilanz in Europa (EuroStoxx50) mit +13,4 % und den USA (S&P 500) mit +13,1%. Beflügelt von der wachsenden Euphorie rund um das Thema „Künstliche Intelligenz“ legten die US-amerikanischen Technologieaktien (NASDAQ 100) sogar um gut 35% zu. Ein gänzlich anderes Bild ergibt sich in China mit einem Minus von 2,7 %.

Belastet wurden die Kapitalmärkte weltweit von der Zinsseite. Trotz der zum Teil deutlich rückläufigen Inflationsraten setzten die Notenbanken ihren restriktiven Kurs fort. Die US-Notenbank FED hob ihren Zinskorridor um weitere 25 Basispunkte an und verkündete anschließend eine Zinspause. In Europa erhöhte die EZB die Leitzinsen zweimal um je 25 Basispunkte. Beide Notenbanken machten sehr deutlich, dass sie beabsichtigen, die Zinsen für einen längeren Zeitraum auf einem hohen Niveau zu halten, um dem hartnäckig hohen Inflationsdruck zu begegnen. Damit hatten viele Akteure nicht gerechnet und so kamen die Kurse langlaufender Anleihen unter erheblichen Druck. Die Rendite der 10-jährigen Bundesanleihe stieg so deutlich auf knapp 3,0 % zum Quartalsende. Der breiter gefasste IBOXXEuroOverall Index des europäischen Rentenmarkts verlor dementsprechend 1,6 % im Berichtsquartal. Die Performance für das laufende Jahr schrumpfte damit auf magere +0,5%.

Zunehmend attraktive Zinsen belasteten auch das Krisenmetall Gold, das im 3. Quartal mit einem Kursrutsch von 3,7 % (in USD) einen Großteil seiner Gewinne des 1. Halbjahres wieder abgeben musste.

Die also eher magere Bilanz des 3. Quartals hat nicht nur saisonale Gründe, denn die wirtschaftliche Entwicklung bietet weltweit durchaus Anlass zur Sorge. Die stark gestiegenen Finanzierungskosten beginnen sich zunehmend in der Wirtschaft bemerkbar zu machen. Zu beachten ist dabei, dass Zinserhöhungen die Wirtschaft erst mit einer Zeitverzögerungen erreichen. Der Wohnungsbau steuert nicht nur in Deutschland auf sehr schwere Zeiten zu und die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Europa stagniert bestenfalls. Noch etwas schlechter sieht es in Deutschland aus, dass sich bereits in einer Rezession befindet. Deutschland hat im Vergleich zu seinen europäischen Partnern einen sehr hohen Anteil industrieller Wertschöpfung, der derzeit besonders unter Druck steht. Insbesondere die energieintensiven Unternehmen leiden unter den hohen Produktionskosten, die ihre Wettbewerbsfähigkeit zunehmend untergraben. Politisch falsche Weichenstellungen lassen sich auch mit vermeintlich temporären Subventionen wie einem „Industriestrompreis“ nicht wirklich heilen.

In deutlich besserer Verfassung präsentieren sich aktuell die USA, wo die Wirtschaft die Zinserhöhungen bisher erstaunlich gut verkraftet. Insbesondere der Arbeitsmarkt überrascht immer wieder positiv. Dennoch ist auch hier mit einer wirtschaftlichen Abkühlung zu rechnen, da die konsumgetriebene US-Konjunktur unter den verschärften Kreditkonditionen leidet und die privaten Haushalte zunehmend unter finanziellen Druck geraten. Bedenklich ist zudem die enorme Verschuldung des US-Staatshaushalts.

Anders als in der Vergangenheit kann die schwächelnde Wirtschaft China nicht helfen, denn China hat selbst mit immensen konjunkturellen Herausforderungen zu kämpfen. Der Bausektor, der für etwa 25 % der Wirtschaftsleistung steht, ist von zahlreichen Pleiten erschüttert. Als Reaktion senkte die chinesische Führung mehrfach die Zinsen und stellte die Veröffentlichung zahlreicher Konjunkturdaten kurzerhand ein.

In der Gesamtbetrachtung ergibt sich für die globale Wirtschaft ein Bild zwischen Stagnation und Rezession. Unsicherheiten prägen die aktuellen konjunkturellen Ausblicke. Und unsicher sind auch die politischen Rahmenbedingungen. In den USA beginnt bereits der Wahlkampf, bei dem sich die beiden relevanten politischen Lager unversöhnlich gegenüberstehen. Der gerade noch abgewandte „Shut-Down“ der US-Regierung ist da wohl nur ein erster Vorgeschmack.

Und in Deutschland ist die Stimmung derzeit besonders schlecht. Obwohl die Wirtschaft derzeit (noch) nicht in einer schweren Rezession steckt, macht das Wort vom „kranken Mann Europas“ wieder die Runde. Wirtschaft und Verbraucher sind im hohen Maße verunsichert. Daran hat sicher die Regierungspolitik einen hohen Anteil, die nicht zu Unrecht in den Umfragen und Wahlen abgestraft wird. Zwar gilt das Prinzip, dass politische Börsen in der Regel kurzfristiger Natur sind, aber schon Ludwig Erhard wusste, dass Wirtschaft zu mehr als 50 % Psychologie ist.

Diese bestenfalls verhaltene Stimmung macht sich derzeit auch auf den Kapitalmärkten bemerkbar, die insbesondere in der ersten Jahreshälfte noch erstaunlich robust waren. Damit könnte die Basis für einen freundlicheren Jahresausklang und ein gutes Börsenjahr 2024 bereitet werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Gegenwind von der Zinsseite zukünftig nachlässt. Wir gehen davon aus, dass der Zinsgipfel bei den kurzfristigen Leitzinsen erreicht sein dürfte und dass das Dogma des „Higher for longer“, also des hohen Zinsniveaus für eine lange Zeit, in Anbetracht der konjunkturellen Herausforderungen nicht allzu lang Bestand haben wird. Auch wenn die Inflation aufgrund einer Vielzahl von langfristig wirkenden Faktoren wie der Demografie und der Dekarbonisierung noch erhöht bleiben wird, ist aus unserer Sicht im 1. Halbjahr 2024 mit ersten Zinssenkungen der westlichen Zentralbanken zu rechnen.

Unsere Vermögensverwaltungsmandate steuerten wir in den letzten Wochen aufgrund unserer eher vorsichtigen Positionierung recht gut durch die turbulente Marktphase. Aktuell halten wir an dieser defensiven Anlagepolitik noch fest und halten Liquidität für Neuinvestitionen zurück. Chancen sehen wir aktienseitig auch weiterhin im Bereich der Technologiewerte, die in besonderer Weise von der Weiterentwicklung und Verbreitung der Künstlichen Intelligenz profitieren sowie in einer Reihe gut aufgestellter europäischer Aktienwerte, die häufig Marktführer in ihrer jeweiligen Branche sind.

Bei festverzinslichen Anlagen nutzen wir zurzeit das gestiegene Zinsniveau für kurzfristige Anlagen mit attraktiven Kupons, sowohl bei EURO- als auch Währungstiteln. In den Depots mit Schwerpunkt im Rentenbereich beginnen wir mit dem Aufbau auch mittlerer bis längerfristiger Laufzeiten, um die Duration des Sektors insgesamt behutsam zu verlängern.

Für 2024 sind wir vorsichtig optimistisch, denn derzeit ist die Stimmung gerade in Deutschland wie so oft schlechter als die Lage. Allerdings gilt es hier, zwischen international gut aufgestellten Unternehmen und den eher national ausgerichteten Wirtschaftsteilnehmern zu unterscheiden. Die großen Konzerne verdienen ihr Geld derzeit mehrheitlich im Ausland, und auch die Investitionsstätigkeit der Unternehmen findet nicht in Deutschland statt. Dies zeigen die jüngsten Erhebungen der volkswirtschaftlichen Institute deutlich. Der Wirtschaftsstandort Deutschland verliert für produzierenden Unternehmen zunehmend an Attraktivität.

Woher nehmen wir also unseren Optimismus für das nächste Jahr?
Die Gewinnschätzungen der Analysten fallen aktuell noch zu optimistisch aus und drohen in den nächsten Monaten eher zu enttäuschen, doch wir sollten bedenken, dass wir gerade in Deutschland eine lange Wachstums- und Aufschwungsphase hinter uns haben. Die Unternehmensergebnisse konnten in jüngster Vergangenheit Rekordhöhen erklimmen, sodass wir uns mit den zu erwartenden Korrekturen auf den langfristigen Durchschnitt zubewegen. Gehen wir von einer positiven Lernkurve der Politik und Gesellschaft aus, sollten wir die schwierigen Zeiten überwinden und zu alter Stärke zurückfinden.


Düsseldorf, im Oktober 2023

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