2. Quartal 2023

Aktienmärkte im Rallymodus........ Was für ein verrücktes 1. Halbjahr 2023!

Die Stimmung in der Industrie und auch der Bevölkerung scheint so trübe wie selten, doch die Börsen arbeiten sich von Jahreshoch zu Jahreshoch. Nach drei langen Jahren der Pandemie, einer als gängelnd empfundenen Bundespolitik und einer nicht enden wollenden Inflation drohen für jeden Einzelnen Wohlstandsverluste. Dies alles schlägt auf die Stimmung der Verbraucher und der Industrie, die sich in Enthaltsamkeit üben und wenig konsumieren bzw. bevorzugt im Ausland investieren.

Und auch der Ukrainekrieg dauert unvermindert an. Mit dem zwischenzeitlichen Putschversuch durch die Söldnergruppe Wagner kam kurzzeitig die Hoffnung auf, dass sich Russland einen Zweifrontenkrieg nicht leisten könnte. Das jähe Ende des Putschversuches – wenn es denn einer war – kam dann überraschend schnell.

Die Märkte hingegen nahmen die schlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gelassen auf und zeigten wie auch schon im ersten Quartal dieses Jahres eine weiterhin gute Performance, dies zeigt die nachfolgende Tabelle. Der Anleihemarkt konnte seine Hoffnungen auf eine deutliche Erholung noch nicht erfüllen. Nach dem historisch schwachen Jahr 2022 fehlen hier die Signale des Endes der Zinserhöhungen. So verbuchte der IBOXX Overall (Index für europäische Unternehmensanleihen) seit Jahresanfang nur einen minimalen Anstieg von gut 2%. Im Vergleich zu den Aktienmärkten eine absolut enttäuschende Performance.

Aber blicken wir auf die Details. In der deutschen Wirtschaft ist derzeit wenig Optimismus zu spüren, denn wir befinden uns in einer technischen Rezession. Mit einem negativen Wirtschaftswachstum von -0,3% im ersten und -0,5% im zweiten Quartal zeigt sie deutliche Schwäche. Die deutschen Unternehmen haben mit einem Betrag von € 125 Mrd. mehr Direktinvestitionen im Ausland vorgenommen als im Vergleichszeitraum. Die Einkaufs-managerindizes gehen deutlich zurück und auch unsere Exporte brechen ein. Dies ist im Kern auf schlechte Standortfaktoren wie hohe Energiepreise, Bürokratie und zu hohe Produktionskosten zurückzuführen.

Unsere Automobilhersteller bekommen mehr und mehr Konkurrenz aus Asien. Im Segment der Kleinwagen mit Elektroantrieb laufen Ihnen die Chinesen so langsam den Rang ab. Tesla hat es vor einigen Jahren im Luxussegment vorgemacht, und nun droht der wichtige Absatzmarkt China für die deutschen Hersteller wegzubrechen. Doch was ist nach dem Markteintritt Teslas damals tatsächlich geschehen? Den deutschen Markenanbietern wurde durch die Werkseröffnung in Grünheide und dem starken Markenauftritt Teslas sehr deutlich vor Augen geführt, dass sie eine wesentliche technische Entwicklung schlichtweg verschlafen hatten. Und doch hat die deutsche Ingenieursleistung dazu geführt, dass BMW, Mercedes und auch Teile des VW-Konzerns im Elektro-Luxuswagensegment heute wieder ganz oben mitspielen. Wettbewerb belebt eben das Geschäft und dies macht uns Hoffnung auch für den Kleinwagenbereich. Und selbst wenn es zu der unternehmerischen Entscheidung führen sollte, dass dieses Segment nicht mehr im Mittelpunkt deutscher Automobilhersteller steht, dann konzentriert man sich auf das margenträchtigere Segment der Mittel- und Oberklassen.

Das Ganze nennt man Wandel und Fortschritt. Märkte sind in Bewegung, sie waren es immer und werden es auch bleiben. Daran wächst eine Marktwirtschaft und entwickelt sich weiter. Also lassen wir uns von dem dauernden Pessimismus nicht anstecken, sondern suchen wir unsere Chancen, wo sie liegen. Die deutsche Industrie ist nicht so schlecht, wie sie derzeit beschrieben wird.

Eine andere, komplett neue Welt eröffnet sich uns auch auf anderer Ebene. Die Energiepolitik wird dazu führen, dass wir uns auf völlig neue Technologien einstellen werden. Begreifen wir doch auch das als wirtschaftspolitische Chance – auch wenn wir das Tempo, dass in Berlin gefordert wird, für viel zu ambitioniert halten. Erneuerbare Energien sind gewollt, nicht nur in Berlin, sondern auch in der Bevölkerung. Und vertrauen wir auch hier auf unsere deutsche Ingenieursleistung, die trotz (gerechtfertigter) Schelte an unserer Bildungspolitik immer noch zu der weltweit Führenden gehört.

Die Inflation stellt nach wie vor eine große Herausforderung dar, sowohl in Europa als auch in den USA. Die Inflationsraten liegen noch deutlich über den Zielwerten der Zentralbanken von 2 Prozent, auch wenn sie langsam zurückkommen. In der EU messen wir aktuell eine Inflationsrate von 5,5%, während sie in Deutschland mit 6,4% noch über dem europäischen Durchschnitt liegt. Ein positives Signal kam jüngst von Seiten der Importpreise, die im Vergleichszeitraum um 9,1% gesunken sind. Dieser Trend sollte sich in den nächsten Monaten fortsetzen.

Die USA nähern sich mit einer Inflation von 4% dem Ziel schon deutlicher an. Vor diesem Hintergrund hat die FED nach 10 aufeinander folgenden Zinserhöhungen im Juni beschlossen, die Zinsen vorerst bei 5-5,25% zu belassen. Hingegen erhöhte die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Leitzins auf 4% und kündigte weitere Zinsschritte an.

Die Zinspolitik der Notenbanken bleibt also das Zünglein an der Waage und eine Abkehr von Zinssteigerungen wäre sicherlich das stärkste Signal, um den Kapitalmärkten für das 2. Halbjahr weiteren Rückenwind zu geben. Die rezessiven Indikatoren der Wirtschaft und auch am Arbeitsmarkt könnten dazu führen, dass wir dann im Herbst doch die Spitze der Zinsanstiege gesehen haben.

Was können wir vor diesem Hintergrund also für die 2. Jahreshälfte erwarten? Der Welthandel hat sich von der Energiekrise weitestgehend erholt. Die Preise für fossile Energieträger haben sich wieder auf das Vorkrisenniveau reduziert und der weltweite Containerumschlag stieg im Mai zum vierten Mal in Folge erfreulich an. Insbesondere die Welthäfen in Asien gaben positive Impulse und zeigen, dass die Lieferkettenprobleme auslaufen.

Die Bewertungen an den Kapitalmärkten sind noch moderat und versprechen noch einiges an Kurspotential. Der DAX liegt mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 12,8 noch deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt, und auch der S&P 500 als amerikanisches Pendant ist mit einem KGV von 24,5 noch nicht zu teuer.

Haupttreiber der amerikanischen Aktienrally sind allerdings die Technologie-Unternehmen. Das Thema Künstliche Intelligenz ist hier der große Impulsgeber und wird in den nächsten Jahren zum game changer in vielen Branchen werden. Dieser Effekt wird unseres Erachtens bleiben und dieses Marktsegment weiter vorantreiben.

Wie richten wir uns in der Vermögensverwaltung nun strategisch auf die Rahmendaten ein?

Zunächst warten wir das sog. „Sommerloch“ ab, in welchem standesgemäß eine negative Performance üblich ist und halten etwas mehr Liquidität. Unsere Aktienquote in den USA haben wir bei klassischen Industriewerten leicht verringert. Dennoch bleiben wir in Tech-Unternehmen investiert, da wir davon ausgehen, dass dieser Bereich besonders langfristig weiterhin eine sehr große Rolle spielen wird.

Bei Aktien deutscher Unternehmen werden wir etwas vorsichtiger, um stärkere Korrekturen zu vermeiden. Innerhalb Europas weichen wir in andere Industriestaaten aus wie zum Beispiel Frankreich, Spanien und Italien. Hier konzentrieren wir uns auf Schlüsselindustrien im nichtzyklischen Konsum sowie Flugzeugbau und Rüstung.

Im Anleihesegment gibt es derzeit wenig Handlungsbedarf. Sollten sich attraktive Neuemissionen anbieten, werden wir diese in die Depots aufnehmen. Bei den Bestandstiteln gilt es erst einmal eine Entspannung auf der Zinsseite abzuwarten. Die Laufzeitenstruktur werden wir leicht erhöhen, da wir ein Ende der Zinserhöhungen im Herbst erwarten.

Düsseldorf, im Juli 2023

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