Krieg, Energiekrise und Inflation – eine einzige Herausforderung!
Das vergangene Jahr 2022 war kein gutes Jahr. Hatten wir zu Beginn noch die Hoffnung, dass nach den Einschränkungen und Belastungen der Corona-Pandemie Optimismus an die Börsen zurückkehrt, hat der brutale Überfall Russlands auf die Ukraine am 24.02.2022 das Bild drastisch verändert. Was jahrzehntelang als unvorstellbar galt, ist nun bittere Realität: in Europa – quasi vor unserer Haustür – herrscht Krieg.
Das Wort „Zeitenwende“ ist, wie wir finden, völlig zurecht zum Wort des Jahres gewählt worden, denn es beschreibt sehr deutlich das Ausmaß der Konsequenzen der russischen Aggression. Vieles von dem, was lange das Denken und Handeln in Politik und Wirtschaft geprägt hat, ist unwiderruflich Vergangenheit. Die allzu bequeme deutsche Position, billige Energie aus Russland und militärischen Schutz von den USA zu beziehen, ohne eigene echte Verantwortung übernehmen zu müssen, führt uns auch wirtschaftspolitisch in die Enge. Jetzt holen uns die Versäumnisse der Vergangenheit ein: Energie ist zum einen deutlich teurer geworden, aber mindestens genauso schwierig ist die Lage auf der Beschaffungsseite. Die Versorgung mit Energie ist nur mit immensem finanziellem Aufwand sicherzustellen, denn Deutschland hat in dieser Situation keine starke Verhandlungsposition.
Die Explosion der Preise für Öl, Gas und Strom verstärkte den Druck auf die Inflationsraten, die schon von den Lieferengpässen vieler Produkte durch die Corona-Lockdowns, insbesondere in China, belastet waren. So verzeichneten wir gegen Ende des Jahres eine Inflationsrate in Deutschland von über 10%. Eine Zahl, die seit Jahrzehnten unvorstellbar erschien und böse Erinnerungen an die 1970er Jahre wachrief. Spät, dann aber umso deutlicher, rief diese Entwicklung die Notenbanken auf den Plan, die sich gezwungen sahen, ihre langjährige Null- und Minuszinspolitik aufzugeben und merklich an der Zinsschraube zu drehen.
Vor diesem Hintergrund kapitulierten verständlicherweise die Kapitalmärkte und bescherten Anlegern herbe, teils historische Verluste. Der deutsche DAX-Index schloss das Jahr mit einem Minus von 12,3 %, der Eurostoxx50 mit minus 11,7 % ab. Aber nicht nur die erste Börsenreihe ließ deutliche Federn, der MDAX quittierte das Jahr 2022 mit einem Minus von 28,3%. Die US-amerikanischen Aktienmärkte weisen ebenfalls eine katastrophale Bilanz aus: der S&P 500 Index beendete das Jahr 2022 mit einem Verlust von 19,4 %, und der technologielastige Nasdaq100 noch deutlicher mit einem Verlust von 33%. Einige Schwergewichte wie Amazon, Apple und Tesla weisen noch deutlichere Kursrückschläge auf.
Doch nicht nur Aktionäre hatten das Nachsehen. Anleger, die auf eher konservative Anlagen wie Anleihen setzten, mussten dramatische Bewertungsverluste hinnehmen. Die weltweit steigenden Zinsen bescherten den Anleihemärkten eines der schlechtesten Jahre seit dem frühen 18. Jahrhundert. Die Zinsen der 10-jährigen Bundesanleihe stiegen von -0,18% am Jahresanfang auf 2,57%. Auch die Zinsaufschläge für Unternehmensanleihen stiegen im Jahresverlauf deutlich an. Im Ergebnis rutschte der europäische Rentenmarktindex IBOXX Overall deutlich ab und schließt das Jahr mit einem Minus von 17,2%. Ein solcher Kursverlust bei Anleihen ist als historisch zu bezeichnen und liegt damit deutlich höher als beispielsweise der Verlust des DAX.
Der Goldpreis, der gemeinhin als Gewinner in Kriegs- und Krisenzeiten gilt, stieg zunächst leicht an, gab seine Gewinne im Jahresverlauf aber wieder nahezu komplett ab. Aufgrund der Schwäche der Euro gegenüber dem US-Dollar bleibt aber für europäische Goldinvestoren ein kleines Plus von 5,9%.
Anleger, die auf Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum & Co als Schutz vor Krisen und Geldentwertung gesetzt hatten, erlebten eine noch dramatischere Enttäuschung: Mittlerweile sind viele ehemals renommierte Handelsplattformen insolvent und die Kurse der „Währungen“ haben sich zum Teil pulverisiert.
Das nun hinter uns liegende Jahr 2022 stellte uns also vor immense Herausforderungen in der Disposition der uns anvertrauten Vermögen. Durch aktives Portfoliomanagement konnten wir die Verluste zumindest eingrenzen und weisen Ergebnisse aus, die besser ausgefallen sind als die Ergebnisse passiver Indexanlagen und somit auch besser als die ausgewiesenen Vergleichsindizes.
Haken wir die Vergangenheit also ab und wenden uns der Zukunft zu! Das vor uns liegende Jahr 2023 kann eigentlich nur besser werden. Zumindest wenn man den allermeisten Auguren und Analysten Glauben schenkt. Doch sind die Krisenherde noch nicht endgültig eingedämmt. Das Thema der sicheren und bezahlbaren Energieversorgung ist von einer befriedigenden Lösung noch weit entfernt. Unsere Gasspeicher sind derzeit dank sehr teurer Gasbeschaffung zwar gut gefüllt. Aber der oft beschworene Ausbau der Wind- und Solarenergie wird die uneingeschränkte Energieversorgung einer Industrienation wie Deutschland wohl auf lange Zeit nicht sichern können. Und auch das Thema Inflation wird uns aus diesem Grunde auch ins neue Jahr begleiten.
Doch lassen Sie uns zuversichtlich bleiben und die Themen konstruktiv angehen, denn es gibt in vielen Bereichen Anzeichen der Besserung.
Von einer „Gasmangellage“ spricht derzeit fast niemand mehr und großflächige „Black-Outs“ in der Stromversorgung erscheinen aktuell eher unwahrscheinlich. Auch die Preise für Gas und Öl haben sich normalisiert. So notiert der niederländische Gas-Future wieder auf dem Niveau wie vor dem Ukrainekrieg, wie im folgenden Schaubild zu sehen ist.
Der unmittelbare Zusammenbruch der deutschen Industrie, der noch Mitte des Jahres heraufbeschworen wurde, ist ausgeblieben. Eine wirtschaftliche Abkühlung wird kommen, aber eine tiefe Rezession wird es wohl doch nicht werden. Private Verbraucher und Industrie werden durch milliardenschwere Preisdeckel weitgehend von den exorbitanten Energiekosten entlastet.
Eine erste Stimmungsaufhellung zeigen auch die aktuellen volkswirtschaftlichen Daten. Der IFO-Geschäftsklimaindex hat sich jüngst von seinen Tiefstständen deutlich erholen können, die Erwartungen der Unternehmer zeigen erste Erholungstendenzen.
Und auch an der Inflationsfront gibt es erste zarte Signale, dass die Spitze der Teuerungsrate möglicherweise hinter uns liegt. Eine erste Entspannung deuten die jüngsten Januardaten an, und die mittelfristigen Erwartungen liegen deutlich unter den Höchstständen der Inflations-raten in 2022.
Natürlich ist die Teuerung noch deutlich zu hoch und die großen Notenbanken werden ihre Leitzinsen noch ein wenig nach oben adjustieren müssen, aber der Großteil der Anpassung liegt wohl hinter uns. Dies nimmt Druck von den Kapitalmärkten, sowohl bei Aktien als auch bei Anleihen.
Wir gehen also mit Bedacht, aber durchaus auch mit Optimismus in das neue Jahr 2023. An den Aktienmärkten dürfte es -insbesondere in der ersten Jahreshälfte- zwar weiterhin holprig zugehen, die Tiefstände des vergangenen Jahres sollten wir aber nicht wieder erreichen. Im weiteren Jahresverlauf sehen wir dann mit dem Auslaufen der Zinserhöhungen und der erwarteten weiteren Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage weiteres Aufwärtspotential. Deutlich optimistischer als in den vergangenen Jahren bewerten wir die Situation für den Rentenmarkt. Nach der langen Durststrecke der Null- und Minuszinsen für festverzinsliche Anlagen weisen Zinsanlagen wieder ein attraktives Renditepotential auf. Zwar sind auch hier noch temporäre Unsicherheiten zu erwarten, aber Renditen von 4-5% für Unternehmens-anleihen ordentlicher Bonität und mittleren Laufzeiten stellen für uns ein lohnendes Chance-/Risikopotential dar.
Wie schon im vergangenen Jahr, wird es auch in 2023 einmal mehr auf das aktive Management der einzelnen Investitionsentscheidungen ankommen. Das simple Orientieren an Kapitalmarktbenchmarks halten wir für falsch, denn einzelne Branchen oder Länder werden sich vorrausichtlich sehr unterschiedlich entwickeln. Insbesondere bei Anlagen in Deutschland dürfte das der Fall sein, da hier der Kern der industriellen Wertschöpfung aufgrund der im Wettbewerbsvergleich sehr ungünstigen Energiekosten vor enormen Herausforderungen steht. Zudem bremst die zunehmende Bürokratie und die marode öffentliche Infrastruktur dringend benötigte Zukunftsinvestitionen. Aber vielleicht tut sich ja auch hier noch etwas und Pragmatismus wie beim Bau des ersten Flüssiggasterminals siegt über politische Ideologien.
Die Strategie einer hohen Liquiditätsquote, wie sie im Jahr 2022 oft opportun erschien, werden wir nicht beibehalten. Wir wollen vermehrt attraktive Anlagevehikel bei Aktien mit interessanten Bewertungsniveaus und lukrativen Dividenden suchen. Daneben spielen Anleihen für uns wieder eine größere Rolle, sind hier doch bei mittleren Laufzeiten Zinserträge in einer Spanne von 4% - 5% möglich.
Düsseldorf, Januar 2023