3. Quartal 2022

„Der einzige Mist, auf dem nichts wächst, ist der Pessimist“ (Theodor Heuss)

Nach dem Sommer kam an den Börsen der September-Blues. Es bewahrheitete sich: der September ist einer der schwächsten Monate im Börsenjahr, zumindest auf diese Regel war Verlass.

Rekordhohe Inflationsraten, steigende Notenbankzinsen und ein hohes Maß an Unsicherheit in Bezug auf die Energieversorgung haben die Börsen unverändert fest im Griff. Derzeit reiht sich eine schlechte Nachricht an die Nächste und schlägt massiv auf die Stimmung.

So markierte die deutsche Inflationsrate mit einem Plus von 10 % im September den höchsten Stand seit dem Jahr 1951. Extrem hohe Preise für Gas und Strom sowie der Wegfall von Tankrabatt und 9-Euro-Ticket machten sich bemerkbar. Auch wenn aufgrund des mittlerweile erreichten Füllstandes unser Gasspeicher wohl kein akuter Versorgungsengpass droht, wird das aktuelle Preisniveau für Energie für viele zur Existenzfrage. So mancher Privathaushalt wird die Energiepreise sicher nicht aufbringen können und weite Teile der Industrie und des Handwerks sind schlicht nicht mehr wettbewerbsfähig. Einzelne Unternehmen fahren daher schon jetzt ihre Produktion herunter und legen ihre energieintensiven Anlagen still.

Neben der Inflation ist ein Abgleiten der Wirtschaft in eine Rezession in den nächsten Quartalen somit schon jetzt abzusehen. Hinzu kommt, dass China als traditioneller Wachstumsmotor der Weltwirtschaft aufgrund der dortigen Immobilienkrise und der verfehlten Null-Covid-Strategie komplett ausfällt.
Vor diesem Hintergrund verlief das 3. Quartal 2022 für Anleger erneut wenig erfreulich: der deutsche Aktienindex DAX machte zwischenzeitliche Erholungsansätze zunichte und verlor im 3. Quartal weitere 5,2%. Für das Jahr steht damit ein Minus von 23,7% zu Buche. Der europäische Aktienmarkt verzeichnet mit einem Minus von 20,6% ein nur leicht besseres Ergebnis. US-amerikanische Aktien liegen per 30.09. bei -24,1 % (S&P 500). Noch heftiger traf es die US-Technologie-Aktien, der Nasdaq Composite Index gab um über 32 % nach. Lediglich der stärkere US-Dollar, der im Verhältnis zum EURO um 13,5 % zulegen konnte, hellt hier das Bild ein wenig auf.

In Anbetracht der historisch hohen Inflation und der Bemühungen der Notenbanken, diese durch kräftige Zinserhöhungen wieder in den Griff zu bekommen, weist auch die Anlage am Rentenmarkt eine deutlich negative Performance auf. Die richtungsweisende Rendite der 10-jährigen Bundesanleihe stieg seit Jahresbeginn von -0,18 % auf 2,11 %. Dies bedeutet demgegenüber Kursverluste bei Anleihen in der Spitze von knapp 20%, sie stehen somit den Aktien in kaum etwas nach. Der Rentenindex IBOXX Overall schloss das 3. Quartal dann mit -16,1 % ab. Und auch das Krisenmetall Gold wurde seiner Rolle als Stabilitätsanker mit einem Wertverlust von 8,5 % nicht gerecht.

So wundert es nicht, dass manchen Marktteilnehmern der nüchterne Blick auf Zahlen und Zyklen abhandengekommen ist. Blicken wir also nach vorn und schauen, welche Chancen sich an den Börsen möglicherweise bieten.

Inflation und Rezession, ja teilweise ein Szenario der wirtschaftlichen Depression, sind aus unserer Sicht weitgehend in den derzeitigen Börsenkursen verarbeitet. Größter Belastungsfaktor sind sicher weiterhin die Rohstoffpreise, insbesondere im Bereich der Energie. Doch diese sinken derzeit tendenziell. Industrierohstoffe wie z.B. Kupfer beginnen bereits seit einiger Zeit eine deutlich rückläufige Weltkonjunktur einzupreisen. Hinzu kommt, dass sich die in der Vergangenheit oft zitierten Lieferkettenprobleme sukzessive lösen. Die Frachtraten im Schiffsverkehr sinken ebenfalls seit geraumer Zeit.

Auch an den Märkten für Energie sind erste Entspannungssignale zu sehen. Die aktuell sehr hohen Inflationsraten dürften aus unserer Sicht nicht weiter zulegen, auch wenn diese im Jahr 2023 auf einem hohen Niveau verharren werden. Der Gipfel der inflationären Entwicklung sollte daher im laufenden 4. Quartal 2022 erreicht sein. Die Notenbanken waren zu Beginn zu zögerlich, bekämpfen aber nunmehr sehr deutlich eine mögliche Verfestigung der Inflationserwartungen.

Wir gehen davon aus, dass die Notenbanken in Anbetracht der deutlich eingetrübten Konjunkturaussichten schon bald mit weniger aggressiven Zinsschritten agieren werden. Anders als in den USA zeigt die hohe Inflationsrate in Europa nahezu ausschließlich angebotsinduzierte Ursachen, auf die die Zentralbank nur sehr geringen Einfluss hat. Daher erwarten wir, dass trotz des derzeit hohen Preisniveaus der Großteil des Anstiegs der Kapitalmarktzinsen bereits hinter uns liegt. Ein wesentlicher Belastungsfaktor für die Aktienmärkte wird daher in der Zukunft zumindest schwächer.

Auf der Habenseite für den heimischen Markt verbuchen wir zudem die Tatsache, dass sich auf der politischen Ebene in Deutschland mehr Realismus abzeichnet. Die Entscheidung, die Energiepreise über sog. Preisdeckel einzufangen, ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung. Auch wenn diese schuldenfinanzierten Maßnahmen ordnungspolitisch kritisch zu würdigen sind, so verhindern sie doch den drohenden Zusammenbruch der Konjunktur. Immerhin nimmt man sich der Angebotsseite des akuten Energieproblems an und erzwingt die sofortige Energiewende nicht um jeden Preis. Damit besteht eine realistische Chance, dass aus der kommenden Rezession keine wirtschaftliche Depression erwächst, die schwere volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Konsequenzen hätte.

Das derzeitige Börsen-Umfeld ist absolut herausfordernd. Konnte der Kapitalmarkt den Einbruch durch die Corona-Pandemie noch relativ schnell verdauen, stellt uns der brutale Überfall Russlands auf die Ukraine und die damit verbundenen Auswirkungen vor große wirtschaftliche und auch politische Probleme. Doch es gibt eine Reihe von Indikatoren, die uns mit Blick auf das nächste Jahr verhalten hoffnungsvoll stimmen.
Der Anstieg der Kapitalmarktzinsen ist bereits sehr weit fortgeschritten und eröffnet wieder bessere Perspektiven für den Rentenmarkt. Damit entfällt auch ein wesentlicher Belastungsfaktor für die Aktien. 15 der gelisteten DAX-Unternehmen werden in diesem Jahr ein Rekordergebnis erwirtschaften, auch dies ist eine gute Nachricht. Und schlussendlich stimmt uns auch eine andere Börsenregel optimistisch: schon Monate vor dem Erreichen des konjunkturellen Tiefs schaffen die Börsen den Turn Around. Nach der Rezession ist vor dem nächsten Aufschwung, auch wenn dieser Ansatz manchem noch zu weit weg erscheint, die Börse war schon immer für Überraschungen gut.

Düsseldorf, im Oktober 2022

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