1. Quartal 2022

KRIEG

Ein Wort, von dem wir nicht geahnt hätten, es einmal benutzen zu müssen. Fassungslos schaut die Welt in die Ukraine, nicht weit von uns entfernt, und doch hat Russland in der Nacht vom 23. auf den 24. Februar die rote Linie überschritten und eine friedliche Nation überfallen. Es ist Krieg in Europa, und die Welt steht vor ganz neuen Herausforderungen, humanitär, aber auch wirtschaftlich.

In unserem Bericht zum Jahresende 2021 titelten wir noch von einer neuen wirtschafts-politischen Ära 2022 – die neuen Machtverhältnisse in Berlin ließen durchaus den Schluss zu, dass mit der Ampelkoalition und einer rot-grünen Handschrift die Drehbücher Wirtschaft und Klima komplett neu geschrieben werden.

Doch noch nie war ein Bestseller so schnell out!

Was haben die Ereignisse nun an der Börse angerichtet?

Der Krieg erstaunlicherweise per heute fast gar nichts. Die weltweiten Indizes notieren annähernd auf dem Niveau vor dem 24.2. Trotzdem war das erste Quartal für die Anleger kein Nullsummenspiel. Denn auch bis Mitte Februar hatten die Märkte bereits eine deutlichere Korrektur gezeigt. Schauen wir uns die Indizes im Detail an. Der DAX stürzte von knapp 16.000 Punkten zu Jahresbeginn auf gut 12.800 Punkte Anfang März, ehe eine Gegenbewegung die Verluste auf -8,6 % per Quartalsende begrenzte. Ein ähnliches Bild zeigt der europäische EuroStoxx 50, der ein Minus von 8,7 % aufweist. Deutlich besser stellt sich die Entwicklung in den USA dar, die nicht so unmittelbar vom Krieg in Europa betroffen sind. Hier büßte der S&P 500 Index 4,1 % ein. Zudem verlor der EURO gegenüber dem US-Dollar knapp 2,7 %.

Anders als in früheren Krisen boten festverzinsliche Wertpapiere keinen Schutz vor Verlusten. Nahezu überall in der westlichen Welt erhöhen die Zentralbanken im Kampf gegen höhere Inflationsraten ihre Leitzinsen. Lediglich die europäische Zentralbank zögert noch, ihre Geldpolitik an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Dennoch stieg auch die Rendite der richtungsweisenden 10-jährigen Bundesanleihe deutlich an. Vor diesem Hintergrund erlebten die Rentenmärkte im 1. Quartal 2022 in Teilen einen regelrechten Ausverkauf und wiesen eine deutlich negative Wertentwicklung auf. So verlor der europäische Iboxx Overall Index – unser Leitindex für Anleihen - im Berichtsquartal 5,5 % an Wert.

In Anbetracht der täglichen Bilder über unfassbares menschliches Leid in der Ukraine und der Grausamkeit der russischen Massaker an Zivilisten fällt es schwer, sich mit den wirtschaftlichen Aspekten zu beschäftigen. Doch führt kein Weg daran vorbei.

Die Themen, die uns wirtschaftlich auch schon vorher beschäftigt haben, sind durch den Krieg in Europa deutlich verstärkt. Die Inflationszahlen schnellen - angetrieben von den Energiepreisen - weiter in die Höhe. Agrarprodukte werden weltweit knapp, war die Ukraine mit Russland doch die Kornkammer Europas.

Das Kernthema ist aktuell jedoch die Abhängigkeit Europas, und insbesondere Deutschlands, von russischen Energielieferungen. Doch wir beziehen nicht nur Gas und Öl aus Russland. Eine Vielzahl wichtiger Bodenschätze wie Nickel kommen ebenfalls aus Russland. So wundert es nicht, wenn Rohstoffpreise sprichwörtlich durch die Decke schießen und der Börsenhandel mit Industriemetallen tagelang unterbrochen werden muss. Dies spüren wir deutlich an der Ladentheke und an der Tankstelle.

Wir sehen derzeit in aller Deutlichkeit, dass politische Entscheidungen eine so starke wirtschaftliche Wirkung entfalten, dass die Funktionsfähigkeit einer Volkswirtschaft auf dem Spiel steht. Denn nicht nur politisch markiert der Einmarsch Russlands in die Ukraine eine Zeitenwende. Auch in wirtschaftlicher Hinsicht sind die Auswirkungen heute noch nicht abschätzbar.

Das Thema Globalisierung der Weltwirtschaft steht vor Herausforderungen, die durch Corona und nun durch den Krieg ganz neue Dimensionen erfahren. Galt bisher gerade in der deutschen Politik die Philosophie des Wandels durch Handel, so zerfällt die Welt aktuell wieder in Blöcke und Interessensphären. Auf der einen Seite stehen die demokratischen Staaten des Westens und den Gegenpool bilden autoritäre Diktaturen wie China und Russland. Die Reduzierung von Abhängigkeiten in den Lieferketten und den Absatzmärkten gegenüber undemokratischen Regimen wird man so schnell nicht lösen können. In Teilen werden wir auch wohl oder übel Wohlstandsverluste hinnehmen müssen.

Wir befinden uns derzeit auch an den Börsen in einer Phase extremer Unsicherheit. Vieles hängt von der weiteren Entwicklung des Krieges in der Ukraine ab und ist damit unkalkulierbar. Aus heutiger Sicht erscheint es aber sicher zu sein, dass wir längere Zeit mit deutlich höheren Inflationsraten leben müssen und die wirtschaftliche Erholung nach dem Corona-Einbruch erheblich langsamer und zäher verlaufen wird, als es noch zur Jahreswende prognostiziert wurde. Das Risiko einer Stagflation ist nicht mehr von der Hand zu weisen. Belastend wirkt zudem die Schwäche der wirtschaftlichen Entwicklung in China, das nicht nur durch die Exzesse der Immobilienwirtschaft, sondern auch durch die sehr restriktive Corona-Politik belastet wird.

Ein Krieg, quasi vor der Haustür, hohe Inflationsraten und eine politisch wie wirtschaftlich schwierige Situation: Das sind in Summe sicher keine positiven Voraussetzungen für Anleger und für uns als Vermögensverwalter. Umso mehr gilt es, die Risiken im Blick zu behalten und Chancen, die sich bieten, aktiv zu nutzen. Denn seit jeher gilt, dass sich gerade in Krisen und Phasen hoher Unsicherheit zahlreiche Opportunitäten ergeben.

Seit Jahren wird in Europa und insbesondere in Deutschland sehr wenig investiert. Der Zustand unserer Infrastruktur ist in weiten Teilen bedenklich und bedarf einer grundlegenden Sanierung. Die jetzt noch dringendere Energiewende wird einen immensen Investitionsschub auslösen und viele Wirtschaftszweige nachhaltig verändern. Von diesen Veränderungs-prozessen werden viele Unternehmen profitieren. Die sich anbahnende Verschiebung in den globalen Lieferketten kennt sicher viele Verlierer, aber eben auch einige Gewinner und auch höhere Inflationsraten sind nicht für alle Branchen gleichermaßen eine schlechte Nachricht.

Auch für Anleiheinvestoren, die seit langer Zeit unter dem Null-Zinsumfeld zu leiden hatten, eröffnen sich peu á peu neue Perspektiven. Zwar ist der Weg in Richtung positiver Zinsen für Bestandsinvestoren aufgrund der temporären Bewertungsverluste ein schmerzhafter. Aber in der Neuanlage sind derzeit selbst bei deutschen Bundesanleihen wieder bescheidene Zinskupons möglich.

Es bleibt damit unverzichtbar, die Anlagen und damit auch Chancen und Risiken ausreichend breit zu streuen.

In Deutschland gibt es zahlreiche, exzellent aufgestellte Firmen, die auch in unruhigen Zeiten sehr profitabel sind. Im internationalen Vergleich stehen wir aber vor immensen Heraus-forderungen. Kaum ein Land ist so abhängig von russischen Energieimporten und kaum ein Land ist wirtschaftlich so global vernetzt wie der „Exportweltmeister“ Deutschland.

Wir setzen daher in den Portfolien unserer Kunden auch in Zukunft auf eine ausreichende Diversifikation der Anlagen, wobei wir auf der Aktienseite aktuell den Blick eher Richtung USA richten. Die amerikanische Volkswirtschaft scheint weniger anfällig für Korrekturen, die aufgrund des Krieges in der Ukraine und Abhängigkeiten von Rohstofflieferungen etc. ausgelöst werden. Natürlich leidet auch dort die Wirtschaft unter einer hohen Inflation, nur scheint die FED - wie schon so oft - behände und doch dosierte Schritte einzuleiten, um diesem entgegenzutreten.

Düsseldorf, April 2022

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