4. Quartal 2021

2022 – Beginn einer neuen wirtschaftspolitischen Ära

Mit viel Schwung war die Weltwirtschaft in das Jahr 2021 gestartet. Die erfolgreiche Entwicklung und Zulassung der Impfstoffe Ende 2020 schürte die Hoffnung auf eine Normalisierung des wirtschaftlichen und sozialen Lebens und beflügelte auch die Kapitalmärkte. Nach einem schwachen Januar schlug die Stimmung schon fast in Euphorie über, die Aktienmärkte in den USA und später auch in Europa erklommen neue Allzeithochs.

Doch auf diese Euphorie folgte zumindest gesellschaftlich deutliche Ernüchterung, wurden doch die Erwartungen an ein Ende der Pandemie schon bald gedämpft. Mangelnde Versorgung mit Impfstoff, eine teilweise recht unglückliche Kommunikation zwischen den verschiedenen politischen Gremien, aber auch die Kommunikation in der Öffentlichkeit ließ das Vertrauen in unsere Verwaltung schwinden. Ein politischer Machtwechsel schien unausweichlich, auch wenn man den Entscheidungs-trägern zugutehalten muss, dass solch ungewöhnliche Zeiten sicher nicht immer einfach zu händeln sind. Kritik ist schnell geübt, aber wer wollte schon wirklich mit den führenden Köpfen tauschen.

Ökonomisch haben wir die Pandemie bisher deutlich besser gemeistert. Nach dem scharfen Einbruch der Wirtschaft im Jahr 2020 war das vergangene Jahr von einem starken Wirtschaftswachstum gekennzeichnet. Zwar konnten die optimistischen Prognosen vom Jahresanfang aufgrund der immer mehr um sich greifenden Lieferengpässe für viele Güter nicht ganz erreicht werden, aber ein Wachstum der deutschen Volkswirtschaft von 2,7% ist noch als ordentlich zu bezeichnen.

Für Anleger war das vergangene Jahr ein insgesamt sehr Erfreuliches: europäische Aktien konnten um 20,3% zulegen (EuroStoxx50 Index), während deutsche Aktien mit einer Performance von +15,8% im DAX-Index leicht schwächer abschnitten. Wieder besser lief es einmal mehr für US-amerikanische Titel. Der marktbreite S&P 500 legte um 26,9% zu, und der technologielastige NASDAQ-Index verzeichnete ein Plus von 21,4%. Darüber hinaus half auch die positive Entwicklung des US-Dollar, die amerikanische Währung gewann gegenüber dem EURO gut 7%.

Enttäuschend verlief das Jahr 2021 für Anleger, die auf die asiatischen Märkte gesetzt haben. Während der japanische Nikkei noch um knapp 5% zulegen konnte, kam es in China mit -5,2%, und besonders an der Börse in Hong Kong mit einem Verlust von 14,1%, zu deutlichen Kursrückgängen. Dies ist insbesondere auf die restriktivere Politik in China gegenüber High-Tech Unternehmen und der Immobilienbranche zurückzuführen.

Wenig Grund zur Freude hatten die Investoren am Rentenmarkt. Nach einer langen Phase mit sehr geringen oder gar negativen Inflationsraten sprang diese im Berichtsjahr weltweit deutlich an und setzte die Notenbanken unter erheblichen Druck, ihre geldpolitischen Kurse zu überdenken. So stieg die 10-jährige US-Rendite um 0,60%-Punkte auf über 1,5% und die Verzinsung deutscher Bundes-anleihen mit 10-jähriger Laufzeit um 0,38% -Punkte, wobei diese zum Jahresende immer noch bei negativen -0,19% lag. So verzeichneten Anleger, die breit in europäische Anleihen investiert waren insgesamt ein Minus von 2,87%.

Von steigenden Inflationsraten hätte nach klassischer Lesart eigentlich Gold profitieren müssen, doch scheinen im vergangenen Jahr viele Anleger zum Schutz vor der Geldentwertung eher auf Kryptowährungen wie Bitcoin etc. gesetzt zu haben. Während viele Kryptowährungen deutlich zweistellig zulegten, verzeichnete Gold in USD einen Kursrückgang von 3,7% auf 1829 USD.

Die umfangreichen fiskal- und geldpolitischen Hilfen von Seiten der Regierungen und Notenbanken haben der Wirtschaft und den Kapitalmärkten erhebliche Unterstützung bieten können. Doch wie immer gibt es zwei Seiten einer Medaille. Massive Interventionen der Politik und der Zentralbanken haben stets Nebenwirkungen, die oft erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung auftreten.

Weltweit ächzen die Staatshaushalte unter deutlich gestiegenen Schulden und auch im neuen Jahr wird die kreditfinanzierte Ausgabenpolitik fortgesetzt. In den USA soll ein bedeutendes Infrastrukturpaket an den Start gebracht werden. Und in Europa wird der Umbau zu einer klimagerechteren und digitalisierten Wirtschaft enorme finanzielle Mittel benötigen. So sinnvoll viele dieser Maßnahmen auch sind, sie müssen entsprechend finanziert werden. Bisher waren die Notenbanken nahezu unbeschränkt und ungehindert in der Lage, den Regierungen diese Mittel fast zinslos zur Verfügung zu stellen. Von dieser Möglichkeit hat die Politik jahrelang auch schon vor der Pandemie großzügig Gebrauch gemacht.

Doch der Spielraum der Notenbanken wird deutlich enger. Die Inflation ist plötzlich und mit aller Macht zurück. So verzeichnen die USA eine aktuelle Inflationsrate von 7,0 %, die Eurozone liegt bei 5,0 %. Die deutschen Zahlen sind mit + 5,3% zusätzlich von den Effekten der temporären Mehrwertsteuer- senkung im Jahr 2020 belastet. Deutlich steigende Rohstoffpreise, unterbrochene Lieferketten und die aufgestaute Verbrauchernachfrage sind ursächlich für diese Entwicklung.

Das gibt Anlass zur Hoffnung, dass die hohen Inflationsraten nur vorübergehend sind. Doch die Zweifel an dieser temporären Entwicklung nehmen zu: die US-Notenbank hat das Wort „temporary“ bereits aus ihrem Vokabular gestrichen und erste Schritte hin zu einer Straffung der Geldpolitik vollzogen. Neben einer Reihe kleinerer Staaten, die bereits auf einen Zinserhöhungspfad eingeschwenkt sind, hat jüngst mit der Bank von England die erste größere westliche Zentralbank eine erste marginale Erhöhung ihrer Leitzinsen vorgenommen. Die europäische Zentralbank konnte sich immerhin zu einem Auslaufen ihres umfangreichen Pandemie-Anleihekaufprogramms im März 2022 durchringen und hat ihre Inflationsprognose für das Jahr 2022 jüngst deutlich angehoben.

Sicher ist, dass aufgrund der statistischen Basiseffekte in den kommenden Monaten zunächst mit einer Beruhigung der Inflation zu rechnen ist. Andererseits werden die im Rahmen der Klimapolitik deutlich steigenden Preise für fossile Brennstoffe und die für Deutschland diskutierte, mögliche Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns neuen Treibstoff bereithalten. Hinzu kommt ein in weiten Teilen der Wirtschaft vorhandener Fachkräftemangel und damit angespannter Arbeitsmarkt. Damit erhöht sich die Gefahr einer klassischen Lohn-Preis-Spirale mit möglichen negativen Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung.

Vor diesem Hintergrund rechnen wir mit anhaltendem Druck in Richtung „Normalisierung“ der Zinspolitik und moderat steigenden Anleiherenditen für bonitätsstarke Schuldner. Die umfangreichen Kaufprogramme der westlichen Notenbanken sollten auslaufen, so dass sich eine wieder stärkere Differenzierung der Risikoaufschläge am Markt durchsetzen wird.

Mit der Rückkehr zu einer restriktiveren Geldpolitik würde zwar eine bedeutende Unterstützung für die Aktienmärkte entfallen. Allerdings ist dies unseres Erachtens gar nicht so negativ zu beurteilen, denn wir halten dies für eine gesunde Entwicklung, weisen doch einige Segmente des Aktienmarktes deutliche Übertreibungen auf.

Diese Entwicklung hat also das Potential, den Aktienmarkt auf eine gesündere und nachhaltigere Basis zu heben, denn der wirtschaftliche Hintergrund ist weiterhin intakt. Die Gewinnentwicklung der Firmen ist derzeit trotz aller konjunkturellen Widrigkeiten sehr robust und die Nachfrage nach Aktien weiter alternativlos. Das Gesamtbild ist unverändert positiv. Wir erwarten auch 2022 namhafte Kurszuwächse an den Aktienmärkten sowie moderat steigende Anleiherenditen.

Es wird wichtiger denn je, bei der Einzeltitelselektion auf gesunde Unternehmensstrukturen zu achten. Maßgebende Industriezweige stehen unter großem Veränderungsdruck. Neue Technologien erobern die Märkte und stellen Basisindustrien vor große Herausforderungen. Hinzu kommen Kollateral-schäden durch die weltwirtschaftliche Globalisierung der vergangenen Jahrzehnte, die nicht mal eben zurückzudrehen ist. Ein konkretes Beispiel führt dies vor Augen: die deutsche Autoproduktion halbierte sich im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2017. Hier spielt im Wesentlichen der eklatante Mangel an Mikrochips eine zentrale Rolle. Aber auch die Umstellung auf Elektroantrieb dürfte einen signifikanten Einfluss gehabt haben.

Damit sind wir beim nächsten großen Thema, mit dem wir umgehen müssen. Der Umbau der Wirtschaft in Richtung Klima-Neutralität wird Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vor immense Herausforderungen stellen. Riesige Investitionssummen müssen finanziert und das Wegbrechen ganzer Industriezweige gesellschaftlich entsprechend flankiert werden. Gerade Deutschland, dass in hohem Maße von der industriellen Wertschöpfung lebt, ist von diesen Umwälzungen besonders betroffen.

Für Anleger bieten die notwendigen Investitionsprogramme in neue Technologien und der so dringend benötigte Digitalisierungsschub viele attraktive Anlagechancen, da einige Wirtschaftszweige in erheblichen Umfang vom Umbau vieler Industrien profitieren werden.

Große Aufmerksamkeit verdient aus deutscher Sicht auch die Entwicklung in Asien: China, das lange als Wachstumsanker der Weltwirtschaft galt und vielen Unternehmen nahezu grenzenlose Chancen bot, ist zu einem veritablen Systemwettbewerber herangewachsen, der zunehmend polarisiert. Die wirtschaftspolitischen Aktionen der chinesischen Machthaber richten sich zunehmend auch gegen eigene chinesische Firmen, die der Führung zu mächtig und damit zu einflussreich geworden sind. Auf Geheiß von Staatschef Xi mussten sich chinesische Internetgiganten wie Alibaba und Co. von den US-Börsen zurückziehen und zahlreiche Geschäftsfelder aufgeben oder restrukturieren. Die Quittung für Anleger waren drastische Kursverluste. Erhebliche Verluste mussten auch die Investoren in chinesischen Immobilienkonzernen verkraften. Der von der Führung verordneten Abkühlung des spekulativ überhitzen Wohnungsmarktes fielen Immobilienentwickler wie Evergrande zum Opfer. Zweifel an der Gesundheit der chinesischen Wachstumsstory und der finanziellen Basis vieler auch im Westen aktiven Konzerne werden lauter. Es wird daher auch für deutsche Konzerne mit starker Wirtschaftstätigkeit in China ein mehr und mehr spannungsgeladenes Umfeld.

Das beginnende Jahr 2022 wird seine eigenen Herausforderungen meistern müssen. Mit der abnehmenden Geldflut der Notenbanken werden nicht mehr alle Boote gehoben und es kommt mehr denn je auf die richtige Auswahl der Investments an. Doch bleibt ein grundsätzlich positives konjunkturelles Umfeld intakt: die Weltwirtschaft wird sich weiter vom Schock und Beinahe-Stillstand der Coronapandemie erholen und ein erfreuliches Wachstum verzeichnen. Die Mehrzahl der Unternehmen sind bisher erstaunlich gut durch die Krise gekommen und weisen eine dynamische Gewinnentwicklung auf.

Die aufgestaute Konsumnachfrage, die sich in hohen Sparquoten der privaten Haushalte spiegelt und nicht zuletzt die gigantischen Investitionen, die in die globale Infrastruktur, in die Digitalisierung und in den klimagerechten Umbau der Industrie fließen werden, eröffnen viele ertragreiche Anlagechancen. Und auch Zinsanleger sollten nicht zu pessimistisch auf ihre Anlagen blicken. Deutliche Erhöhungen der Leitzinsen, die die Kurse bestehender Renteninvestments belasten würden, sind zumindest in der Eurozone eher nicht zu erwarten. Aufgrund der zum Teil prekären Lage der öffentlichen Haushalte in vielen europäischen Staaten wird sich die EZB mit Zinserhöhungen sicher zurückhalten. Vor diesem Hintergrund erwarten wir eine marginal positive Wertentwicklung für Investoren auch im Bereich der Anleihen.

Blicken wir also zuversichtlich nach vorn. Wir freuen uns gemeinsam mit Ihnen auf ein weiteres spannendes Börsenjahr!

Düsseldorf, im Januar 2022

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